Gar keine so einfache Frage und früher mit Sicherheit leichter zu entscheiden. Sind Siezer die ewig Gestrigen und Duzer die coolen Unkomplizierten? Wenn man näher hinschaut, merkt man, dass es so einfach nicht ist. Vom respektvollen Sie über das das kollegiale und das freundschaftliche Du bis zum instrumentalisierten Du sind viele Nuancen möglich. Was für diesen Handwerksbetrieb richtig ist, passt für jenen Konzern noch lange nicht. Es gilt zu differenzieren, nicht gleichzumachen. Ob Du oder Sie – wichtig ist, dass Respekt die Grundlage ist. Einseitiges Duzen von Erwachsenen ist auf jeden Fall respektlos.
Nach allgemeinem Verständnis kann man ein einmal angenommenes Du nicht mehr ins Sie zurück tauschen. Deshalb sollte sich jeder gut überlegen, ob er dem anderen das Du anbietet oder ein angebotenes Du des anderen annimmt.
Hier wird geduzt
Nun gibt es traditionelle Duz-Umgebungen: Im Gebirge gibt es das Gipfel-Du. Es gilt ab etwa 1000 Höhenmetern. Im Tal gilt es selbstverständlich nicht mehr. Es gibt auch das Handwerker-Du auf der Baustelle. Außerhalb der Baustelle wird wieder gesiezt. In so manchem Seminar einigt man sich auf das persönlichere Du. Auch das gilt nur bis zum Seminarende. Es mag Branchen geben, in denen man eher duzt und andere, in denen immer gesiezt wird. Junge Leute duzen sich in der Regel untereinander, Vereinsmitglieder ebenso.
Und seit geraumer Zeit gibt es die sogenannten sozialen Netzwerke, in denen ebenfalls häufig geduzt wird. Nicht durchgehend, wohl aber überwiegend. Wenn Unternehmen beschließen, zusätzlich zu ihrem Internet-Auftritt auch die sozialen Netze zu nutzen, dann steht spätestens die Frage an: Wollen wir die Besucher unseres Profils duzen oder siezen? Nach welchen Kriterien soll man das entscheiden? Und ist eine differenzierte Unterscheidung nach Inkrafttreten der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) noch möglich, ohne den Besucher mit Fragen nach (zu) vielen Daten abzuschrecken?
Hier braucht es Fingerspitzengefühl
Dazu gibt es keine Patentlösung, denn jedes Unternehmen ist anders. Nehmen Sie zum Beispiel IKEA. Das Möbelhaus duzt seine Kunden, egal wie alt diese sind oder für welchen Betrag sie einkaufen. Andere Firmen siezen konsequent auf der eigenen Website und duzen genauso konsequent in den sozialen Netzwerken. Hier entscheidet also der Kanal über die Anrede, obwohl womöglich dieselben Menschen angesprochen werden.
Wieder andere mischen innerhalb der einzelnen Kanäle und sprechen beispielsweise Auszubildende in spe mit Du an, Berufseinsteiger und alte Hasen mit Sie. Andere wechseln die Anrede ohne ein auf den ersten Blick nachvollziehbares Unterscheidungsmerkmal. Ist das Unsicherheit oder ein Zeichen von Segmentierung und Fingerspitzengefühl? Das liegt sicher in jedem Fall ein wenig anders.
Wie ist es also richtig? Das muss – so leid es mir tut – jeder für sich entscheiden. Ich jedenfalls sieze jeden ab circa 18 Jahren erst einmal. Ich sieze auf meiner Website und auf XING. Und ich brauche nach wie vor lange, um zum Du überzugehen. Da mag altmodisch sein, ich fühle mich damit wohl. Für andere mag das anders sein.